Uhrenwissen  
Wecker aus dem Schwarzwald
Amerikanerwerk W 10, Junghans, um 1890 (Inv. 2008-058)
Arthur Junghans ( 1852-1920)
Rückwandglockenwecker Kolibri, Mauthe, Schwenningen 1950er Jahre (Inv. 1995-353)
Der Kienzle-Wecker portable von 1971 setzte Maßstäbe im Kunststoffdesign von Werk und Gehäuse (Inv. 1995-745)
Chrometron CQ 2000, das erste Billigquarzwerk aus dem Schwarzwald, Staiger, St. Georgen ab 1971 (Inv. 2006-134)
Industrielle Massenproduktion im Schwarzwald

Ende des 19. Jahrhunderts setzte sich die industrielle Massenproduktion nach dem Vorbild der USA durch.
Die Werke der neuartigen „Amerikaneruhren“ unterschieden sich grundsätzlich von denen der traditionellen Uhrmacherei, denn die Konstruktion dieser Uhren war auf die industrielle Serienfertigung abgestimmt. Durch neue Materialien wie gewalztes Messing und den Einsatz von Spezialmaschinen konnten die Uhrwerke deutlich schneller und damit billiger hergestellt werden.

Arthur Junghans setzte Mitte der 1880er Jahre mit dem Weckerwerk W 10 Maßstäbe. Es war billig, robust und und konnte, anders als die meisten Amerikaneruhren, von Uhrmachern repariert werden. Diese, bislang gegenüber massenindustriellen Produkten kritisch eingestellt, verkauften nun auch Amerikanerwecker.
Mit diesem geschickten Schachzug stieg Junghans zur größten europäischen Uhrenfabrik auf. Über 50 Jahre war W 10 in der Mehrzahl aller Junghans-Uhren eingebaut. Es wurde von zahlreichen anderen Firmen kopiert, die so am Erfolg von Junghans teilhatten.
Dank der Wecker wurde der Schwarzwald, der die Welt im 19. Jahrhundert mit preisgünstigen Holzuhren beliefert hatte, erneut zum Marktführer für Billiguhren.

Des Weckers neue Kleider

Am Grundprinzip des Amerikanerwerks änderte sich bis 1970 wenig. Das Aussehen der Wecker und die Details der Werkkonstruktion entwickelten sich jedoch stetig weiter.
Die Grundform des Weckers ist der „Babywecker“. Sein runder Körper trägt oben die Glocke. Ab den 1920er-Jahren wird diese eingespart: Beim Rückwand-
glockenwecker schellte das Gehäuse. In der Nachkriegszeit waren Etuiwecker begehrtes Reiseutensil.
Im Innern liefen später besonders geräuscharme Werke, die den Schlaf nicht störten. Dennoch weckte der Wecker je nach Geschmack geräuschvoll, oder aber erst sanft ansteigend und dann stärker.

Die Uhrenindustrie schafft sich selbst ab

Dank Transistortechnik setzten sich in den 1960er Jahren Uhrwerke mit Batterie durch, die nicht mehr aufgezogen werden mussten. Bei den „Drehschwingerwerken“ entlastete der elektromagnetische Direktantrieb der Unruh das Getriebe. Statt wie bisher aus Metall, konnten die Zahnräder nun aus Kunststoff gefertigt werden.  
Viele Betriebe sparten mit dem neuen Material Arbeitskräfte ein. Wer an der aufwändigen Metallbearbeitung festhielt, war bald nicht mehr konkurrenzfähig.
Traditionsreiche Firmen wie Mauthe, Blessing und Kaiser machten deshalb in den 1970er Jahren Konkurs.
Erschwingliche Quarzwerke für Wecker, aber auch Tisch- und Wanduhren kamen zunächst aus dem Schwarzwald. Durch automatisierte Herstellung waren die vollelektronischen Uhren bereits um 1980 günstiger als herkömmliche mechanische oder elektromechanische Werke. Auch diese Rationalisierungen kosteten viele Arbeitsplätze.
Ab 1990 waren keine weiteren Einsparungen bei der Herstellung mehr möglich. Preislich konnte der Schwarzwald mit Fernost nicht mehr konkurrieren. Die Firmen mussten auf neue Produkte umsteigen oder aufgeben. Die Uhrenindustrie im Schwarzwald hatte sich selbst abgeschafft.

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